Nach nun fast 10 Monaten ohne Langschach ging es für mich endlich mal wieder zu einem richtigen OTB-Turnier, dem „Lessing-Open 2021“. Dieses fand in dem gemütlichen Wolfenbüttel statt. Zugegeben, für mein letztes Turnier musste ich sogar nach München reisen. Man nimmt zu diesen Zeiten eben jedes Turnier mit, welches man mit vertretbarem Aufwand spielen kann. 😉
An dieser Stelle möchte ich mich auch beim Verein bedanken, der Turniere dieser Art immer wieder unterstützt.
Ich weiß, dass einige gut mit der aktuellen Turnier-Situation klar kommen. Für mich als sehr aktiven Spieler, der „fleißig“ trainiert, ist es jedoch wichtig, die Fortschritte nicht nur am Internetrating, sondern auch an der DWZ und Elo zu sehen.
Vielen ging es ähnlich und unabhängig vom Schach war ich auch einfach froh, wieder viele bekannte Gesichter zu sehen und die Atmosphäre in einem Turniersaal genießen zu dürfen. Gespielt wurde in der Lindenhalle – dem „Wohnzimmer von Wolfenbüttel“ wie es Michael S. Langer so schön formulierte. Und tatsächlich, die Spielbedingungen waren sehr gut und es wurde auch etwas für den Schutz gegen Corona getan. Die Stadt stellte Mitarbeiter zur Verfügung, die den Einlass an jedem einzelnen Tag kontrollierten. Gespielt werden durfte nur mit einem tagesaktuellen, negativen Testergebnis bzw. doppeltem Impfschutz oder Genesung. Es musste zu jeder Zeit eine Maske getragen werden mit der einzigen Ausnahme direkt am eigenen Brett.
Insgesamt wurden 5 Runden von Freitagabend bis Sonntagabend gespielt. Pro Person gab es 2 Stunden für 40 Züge + 30 Minuten für den Rest der Partie. So kam es vor, dass man an einem Tag bis zu 10 Stunden gespielt hat. Und natürlich darf eine Partieanalyse mit dem Gegner nach der Partie auch nicht fehlen – das ist nahezu Standard und ich finde, dass man das auch immer selbst aktiv anbieten sollte. Dadurch war also nahezu der ganze Tag voll mit Schach und ich muss zugeben: Ich hätte gerne länger geschlafen. Dies ging jedoch schon von Anfang an nicht, wenn die Freitagsrunde bis Mitternacht geht und schon am Samstag um 9 wieder gespielt werden sollte. Es war sehr anstrengend. Umso mehr freut es mich, dass ich zumindest mit 3 DWZ und 5 Elo Punkten belohnt wurde. Ich hätte mich natürlich auch über mehr gefreut, aber dazu hätte ich am Samstag konzentrierter spielen müssen gegen 2x ca. 2200 Elo. Freitag und Sonntag habe ich dafür 3x gegen ca. 1900 DWZ/Elo gewonnen. Am Ende landete ich bei 3 aus 5 möglichen Punkten auf dem 23. Platz im A-Turnier.
Insgesamt nahmen am A- und B-Turnier 146 Spieler/innen teil. Details können unter dem folgenden Link angeschaut werden:
https://nsv-online.de/turniere/lessing-open-2021/?ak=A-Gruppe&show=TeilRang#menu
von
Felix Teichert
Praktische Stellungen zum Nachdenken
An dieser Stelle möchte ich nun spannende Momente aus der letzten Partie mit euch teilen und euch zum Mitmachen auffordern. Lösungen mit Erklärungen findet ihr am Ende des Berichts. Die Stellungen stammen aus der Partie Grosselohmann, Gerhard (1947 Elo) vs. Teichert, Felix (2030 Elo). Ich wollte unbedingt gewinnen, jedoch hat es mir mein Gegner mit einer sehr soliden, aber wenig kämpferischen weißen Eröffnung nicht so leicht gemacht. Ich bekam zwar früh Ausgleich mit schwarz, jedoch war die Stellung sehr trocken.
Nach 18 Zügen erreichte ich diese Stellung. Was ist der beste schwarze Zug, um die Gewinnchancen zu maximieren und welche Idee steckt dahinter?
Es waren 2h gespielt. Nach 22 Zügen konnte ich aufgrund des Drucks auf den d-Bauern nun endlich weiß dazu zwingen, erste Zugeständnisse zu machen. Wie schafft es schwarz am Zug, maximale Gewinnchancen herauszuholen?
Schwarz hat nach 25 Zügen bereits einen kleinen Vorteil aufgrund der in Stellung 2 gemachten Bauern-Schwächen auf h3 und besonders g3. Jedoch muss weiter Druck gemacht werden und man sollte weiß die Chance geben, in Fallen zu tappen. Was ist der beste schwarze Zug und welchen sehr gemeinen Zug hatte ich auf eine „normal aussehende“ weiße Antwort parat?
Nun sieht man deutlich, wie weiß immer mehr Zugeständnisse machen musste. Welcher schwarze Zug führt zu einem klaren Vorteil für schwarz?
In der nächsten Stellung steht weiß bereits seit einigen Zügen total auf Verlust, da schwarz die komplette Initiative hat. Die ungleichfarbigen Läufer verschärfen diese Situation noch einmal, da ungleichfarbige Läufer keinen direkten „Gegenspieler“ haben und sich somit nicht neutralisieren können. Welche Drohung hat schwarz aufgestellt und muss von weiß (am Zug) pariert werden?
Nach 39 Zügen konnte weiß nicht mehr alle Drohungen parieren und musste sich durch die folgende sehr schöne Kombination geschlagen geben. Nimm dir genügend Zeit und finde die Lösung.
Lösungen:
Stellung 1:
Der beste schwarze Zug, um die Gewinnchancen zu maximieren, ist Da5. Dieser Zug greift direkt den Läufer auf g5 an (kann man schon mal übersehen) und bereitet den Schwung der Dame zum Königsflügel nach f5 oder h5 über die 5. Reihe vor. Der Bauer auf a2 wird übrigens nicht angegriffen, denn auf Dxa2?? würde Ta1 folgen und die Dame wäre gefangen. Laut Engine sind die Züge Td7; e5 bzw. Db6 gleichwertig. Diese stellen allerdings weiß nicht vor „schwierige“ Entscheidungen und provozieren keine Fehler. Nach beispielsweise Da5 Lxf6 gxf6! d5?! cxd5 cxd5 e5 steht schwarz klar besser.
Stellung 2:
Wie im späteren Verlauf deutlich wird, sollte schwarz noch die Bauernstruktur am weißen Königsflügel schwächen bevor man sich auf e3 bedient. Dies gelingt mit Dh5! worauf h3 folgen muss, und dadurch der g-Bauer schwach wird. Nach h3 wird die Struktur natürlich weiter geschwächt durch Sxe3 fxe3.
Stellung 3:
Dg5! muss weiß mit Kh2 oder g4 beantworten. Weiß entschied sich für g4. Die Falle war, dass e4?? nicht ging aufgrund des gemeinen Zugs Lc5! Weiß kann den Läufer nach e4?? Lc5! nicht nehmen, weil der Turm auf d3 hängen würde. Vorbeiziehen kann der d Bauer natürlich auch nicht. In dieser Folge gewinnt schwarz den d-Bauern und damit fällt dann die weiße Stellung komplett auseinander und schwarz hätte zusätzlich noch einen großen Angriff.
Stellung 4:
Der Zug e5! droht e4 (Gabel auf Dame und Turm) und öffnet die Stellung für einen Angriff, wovon die Folgen gleich zu sehen sind.
Stellung 5:
Wenn schwarz am Zug wäre, würde Txh3+ Lxh3 Dxh3+ Kg1 Le3# folgen. Dementsprechend spielte weiß Df1, um diese Drohung zu parieren.
Stellung 6:
Es folgte Dh2+ Kf2 und nun der wundervolle Zug Tf3+! Der Läufer auf g2 ist gefesselt, der König muss im Prinzip den Turm nehmen, weil sonst die Dame auf f1 verloren gehen würde. Nach Kxf3 folgt Dg3+ Ke2/Ke4 De3# . Weiß gab nach Tf3+ auf.